Das Krummelsche Haus - Breite Strasse 72

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Das Krummelsche Haus in der Breiten Strasse 72 ist das wohl am meisten beachtete Haus in der Wernigeröder Neustadt. Es wurde im Stil des Spätbarocks, aber dennoch im Fachwerk errichtet. Durch die vorgesetzte Holzfassade mit Schnitzereien ist dies kaum als solches zu erkennen.

Das Haus wurde 1674 von dem Berliner Kornhändler Heinrich Krummel gebaut. Die Fassade zeigt vom Straßenniveau bis hin zur Traufe meisterhaft ausgeführte Schnitzereien. Die Gefache sind ausgemauert wie bei anderen Fachwerkhäusern. Die Fassade wurde mit allegorischen Schilderungen auf geschnitzten Holztafeln ausgestaltet, die nach Stichen des flämischen Kupferstechers Adriaen Collaert (1560-1618) geschnitzt worden sind.

Von oben links her gesehen zeigen die Bilder 1, 2, 8 und 10 symbolisch die Erdteile Europa, Asien, Afrika und Amerika; Australien stand, als erst ansatzweise entdeckt, noch nicht zur Debatte. Bild 3 bietet eine Landschaftsansicht, wohl das Element „Luft“, während das 4. Bild auf gleiche Weise „Erde“ darstellt. Das 6. Relief wird auf Wernigerode gedeutet, das 7. zeigt den „unbestechlichen Richter“. Das 9. Bild trägt die Unterschrift „memento mori“ - „Gedenke, dass du sterben musst“. Das 5. Relief mit der Inschrift „Thut Buße“ und der Darstellung eines Mädchens mit einem Rosenkranz vor einem Priester sitzend, wurde also erst ergänzt, als die Ladeluke und die Lüftungsöffnungen im 2. Obergeschoss zu Fenstern umgebaut wurden.

Im zweiten Obergeschoss rechts erkennt man, dass dieses Gefach früher nicht vorhanden war. Es enthielt eine einfache schmucklose Brettertür. Hier war an einem sogenannten Kefferbalken ein Flaschenzug angebracht, um die Lasten auf den Boden ziehen zu können. In älteren Abbildungen ist zu sehen, dass im gesamten zweiten Stock die Fensteröffnungen mit Gittern aus Holzlatten versehen waren. Sie sollten für die Belüftung des Lagergutes Sorge tragen.

Das Untergeschoss, das um 1875 umgebaut wurde, besteht seitdem aus vier Rundbögen, abwechselnd ein großer und ein kleiner. In den kleineren Bögen befinden sich Eingangstüren von denen die linke in das heute darin befindliche Cafe führt, während die rechte zum Treppenhaus führt. Vorher war das Untergeschoss mit drei Fenstern und rechts einer Tür versehen. Ein Fenster hatte eine Auslage zur Straße hin und es galt immer als das erste Schaufenster der Stadt. Vermutlich wurde im Erdgeschoss ein Kleinhandel betrieben.

Über den Türen sind Jahreszahlen zu sehen, die auf wichtige Daten dieses Hauses hinweisen. 1674 steht für die Errichtung des Baus und 1875 für den Umbau des Erdgeschosses, die der Seilermeister Wilhelm Gerlitz ausführen ließ. Die fünf Säulen im Erdgeschoss zeigen in Augenhöhe des Betrachters fünf romantisierende Figuren, die Ritterzeit verherrlichend. Oben unter den Windladen sind Puttenköpfe zu sehen.

Der Vollständigkeit wegen sei berichtet, dass mehrmals schon ausländische Museen und Finanziers ihre Hände nach diesem einzigartigen, viel bewunderten Krummelschen – oder wie es später nach seinem Besitzer hieß: Gerlitzschen – Hause ausstreckten. Ein Angebot stammte von einer Londoner Firma, die 1924 2000 Pfund Sterling für die abzubrechende Fassade bot. Der Besitzerin, wie auch der Stadtverwaltung ist hoch anzurechnen, trotz finanzieller Nöte standhaft geblieben zu sein und so diese Kostbarkeit zur Freude für Einwohner und Besucher an ihrem Platz zu erhalten.

(c)Text: Weitere Informationen zur Hausgeschichte mit historischen Bildern findet ihr auf http://www.hausgeschichte-wernigerode.de

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